Geschichte

Die Geschichte der Zucht einer Pferderasse ist Teil der Kulturgeschichte, weil jede
Pferdezucht aufs Engste mit der Entwicklung und der Geschichte eines Volkes
verwoben ist. Im Fall der Geschichte des Friesenpferdes handelt es sich dabei – wie
könnte es anders sein – um die Geschichte des friesischen Volkes. Das Friesenpferd
ist ein einzigartiges Kulturdenkmal – aber, im Gegensatz zu vielen Denkmalen ist es
auch heute immer noch springlebendig!

 

Bei Ausgrabungen aus der Zeit etwa 100 Jahre vor Christus ist man im Gebiet
der heutigen Provinz Friesland auf die ersten Pferdeschädel von Friesenpferden
gestossen. Bereits Cäsar beschrieb das Friesenpferd von damals als stark,
ausdauernd und mit kräftigen kurzen Beinen. Dieses schwere Pferd züchtete man
damals eigens für Turnierkämpfe und für Kriege. Die Pferde mussten die Last eines
Ritters in voller Rüstung aushalten. Das Friesenpferd war im Mittelalter als das
beste „Streitross“ bekannt! Obschon man auch in fernen Ländern das Friesenpferd
rühmte, so wurde es zunehmend doch als zu schweres Pferd empfunden. Durch
einkreuzen mit Pferden aus Spanien wurde versucht, das Plumpe und Schwere des
Friesen zu verbessern. Im 18. Jahrhundert erlosch der Ruhm dieser Rasse dann
vollkommen. Der Wandel zu einer bürgerlichen Gesellschaft hatte auch Folgen
für die Pferdezucht. Der Typus des Barockpferdes geriet mehr und mehr aus der
Mode. Die aufkommende „neue Zeit“ verlangte nach einem Pferd neuen Typs.
Dass das Friesenpferd nicht – wie viele andere schweren Rassen aus dieser Zeit
– ausgestorben ist, verdankt es der Hartnäckigkeit und der Beharrlichkeit mehrerer
Generationen von Friesen. Diese haben aus Liebe zu ihrem eigenen lebenden
Kulturbesitz das Friesenpferd über die kritischsten Perioden seiner Geschichte
hinüberretten können.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war dann der absolute Tiefpunkt in der Geschichte
des Friesenpferdes erreicht. Vom Turnier- und Streittross musste zum Lastpferd
umgeschult werden. Vor allem wartete schwere Arbeit auf dem Bauernhof auf die
Friesenpferde. Dafür war dieses Tier mit soviel Adel im Blut jedoch weniger gut
geeignet. Durch die in unerwartet forschem Tempo fortschreitende Mechanisierung
der Landwirtschaft wurden aber zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg bald sämtliche
Pferde auf dem Bauernhof „überflüssig“. Den meisten Bauern fehlte es an Geld
und Zeit, um sich Pferde nur zum Vergnügen zu halten. Beinahe wäre es zu einer
Katastrophe gekommen, nämlich zum Untergang des einzigen erhalten gebliebenen
einheimischen Pferdes Frieslands.

Mit dem wachsenden Wohlstand mehrten sich die Möglichkeiten, für Erholung und
Entspannung und mehr Zeit und mehr Geld für Hobbys aufzuwenden. Dadurch
erhielt das Friesenpferd eine unerwartete, neue Chance. Dies bedeutete endlich
den Wendepunkt, und hier beginnt die glorreichste Episode in der Geschichte
des Friesenpferdes! Durch seine aussergewöhnliche Intelligenz, Folgsamkeit,
Vielseitigkeit und nicht zuletzt wegen seinem ansprechenden Äusseren, erschien das Friesenpferd als idealer und geliebter Gefährte, wenn man seine Freizeit sportlich gestalten wollte. Gerade noch zur rechten Zeit hat man erkannt, dass das Pferd als Arbeitstier ausgedient hatte. Es wurde nun ein Zuchtprogramm aufgestellt, das sich zum Ziel setzte, das Friesenpferd für die Verwendung innerhalb von Freizeit- und Sportaktivitäten geeigneter zu machen, ohne dabei etwas vom friesischen Rassetypus aufgeben zu müssen. Es richten sich sämtliche Bemühungen darauf, ein brauchbares und vielseitiges Pferd mit besonderer Betonung der Eleganz und der Bewegung zu züchten. Es steht fest, dass in den letzten zwanzig Jahren auf diesem Gebiet wichtige Fortschritte zu verbuchen sind. Dieser Fortschritt wäre in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen, wenn viele dieser geforderten Eigenschaften nicht bereits tief im Erbgut des Pferdes verankert gewesen wären.